Warum du nie ganz bei dir ankommst, wenn du ständig Verantwortung für die Gefühle anderer trägst
- Marie Swoboda
- Sep 10
- 4 min read
Wir alle kennen das: Du sitzt beim Friseur, die Frisur sieht ganz anders aus, als du es dir vorgestellt hast – und zwar nicht im positiven Sinn. Doch anstatt etwas zu sagen, lächelst du und murmelst ein „Ja, danke, perfekt“. Tief in dir schreit etwas anderes, aber nach außen spielst du die Dankbare. Warum? Weil du den anderen nicht verletzen möchtest.
Genau das ist das Muster, das so viele von uns unbewusst leben: Wir übernehmen Verantwortung für die Gefühle anderer. Und während wir uns damit beschäftigen, wie es dem Gegenüber geht, verlieren wir den Zugang zu uns selbst. Das Tragische: Solange wir in diesem Modus bleiben, können wir nie die volle Verantwortung für unser eigenes Leben übernehmen – und auch unsere Grenzen nicht wirklich wahren.
Woher dieses Muster kommt
Dieses Verhalten hat selten etwas mit bewusster Entscheidung zu tun. Es entsteht oft schon früh in der Kindheit. Wenn ein Kind nicht genug gehalten, gespiegelt oder gestützt wird, lernt es, dass es sich anpassen muss. Nicht, weil die Eltern böse sind – sondern weil sie es oft selbst nie gelernt haben, mit ihren Gefühlen umzugehen. Vielleicht konnten sie ihre eigenen Emotionen nicht regulieren oder keine Sicherheit geben.
Das Kind spürt instinktiv: Ich muss etwas tun, damit Mama oder Papa wieder lachen. Ich darf nicht „zu viel“ sein. Ich muss vorsichtig sein, damit die Stimmung nicht kippt.
Und so übernimmt ein Kind Verantwortung, die gar nicht seine ist – nämlich die Gefühle der Erwachsenen. Dieses Muster zieht sich dann durchs Leben und prägt, wie wir Beziehungen führen, wie wir arbeiten und sogar wie wir Entscheidungen treffen.
Typische Situationen eines „People Pleasers“
Vielleicht erkennst du dich in den folgenden Beispielen wieder:
Beim Friseur: Die Frisur passt überhaupt nicht, aber anstatt ehrlich zu sagen, dass du unzufrieden bist, nickst du dankbar. Du willst den Friseur nicht verletzen.
Im Nagelstudio: Du bringst eine klare Vorlage mit, aber das Ergebnis hat rein gar nichts damit zu tun. Statt deine Enttäuschung auszusprechen, sagst du: „Oh, sehr schön, danke.“
Im Restaurant: Dein Essen ist kalt oder schmeckt nicht – aber du schluckst es runter, um keinen Ärger zu machen.
In der Arbeit: Dein Chef überträgt dir immer mehr Aufgaben, obwohl du schon längst am Limit bist. Aber du sagst nicht „Stopp“, sondern denkst: „Er erwartet das von mir, ich darf ihn nicht enttäuschen.“
In Beziehungen: Ein Mann küsst dich plötzlich, obwohl du das gar nicht möchtest. Statt ihn klar zurückzuweisen, bleibst du still und wartest, bis er aufhört, weil du ihn nicht verletzen willst.
Diese Beispiele sind keine Kleinigkeiten. Sie zeigen, wie tief das Muster sitzt: Du stellst dich selbst zurück, nur um die Gefühle anderer zu schützen.
Schreibe gern deinen krassesten People Pleaser Moment in die Kommentare!
Warum dieses Muster dich ausbremst
Das Problem ist: Solange du ständig die Gefühle anderer im Blick hast, kannst du deine eigenen kaum wahrnehmen.
Du bist so sehr darauf fokussiert, niemanden zu enttäuschen, niemanden zu verletzen oder die Stimmung zu retten, dass du deine eigenen Bedürfnisse übergehst.
Das führt dazu, dass du:
deine eigenen Grenzen nicht spürst (oder sie nicht durchsetzt),
dein Selbstwertgefühl immer von der Reaktion anderer abhängig machst,
nie wirklich in deine Kraft kommst, weil du permanent nach außen gerichtet bist.
Und noch etwas: Wenn du die Verantwortung für die Gefühle anderer übernimmst, entziehst du dir selbst die Energie, deine eigenen Themen zu halten. Du kommst nie in dieses „High“ – dieses Gefühl von innerer Stabilität, Selbstvertrauen und Klarheit.
Verantwortung gehört dahin, wo sie hingehört
Die Wahrheit ist: Du bist nicht verantwortlich für die Gefühle anderer. Genauso wenig, wie jemand anderes für deine Gefühle verantwortlich ist.
Natürlich haben unsere Handlungen Auswirkungen – wenn du jemanden beleidigst, wird er sich verletzt fühlen. Aber das bedeutet nicht, dass du immer in der Pflicht bist, jede Gefühlsregung anderer abzufedern.
Es ist ein entscheidender Schritt in Richtung Freiheit, wenn du erkennst:
Jeder Erwachsene trägt die Verantwortung für seine eigenen Gefühle.
Ich darf meine Wahrheit sagen, ohne die Reaktion des anderen kontrollieren zu müssen.
Meine Grenzen sind genauso wichtig wie die Gefühle anderer.
Erste Schritte, um aus dem Muster auszusteigen
Wahrnehmen, wann es passiert
Achte darauf, in welchen Situationen du automatisch ins People-Pleasing gehst. Schreib dir auf, wann du deine Wahrheit zurückhältst, um andere nicht zu verletzen.
Innere Erlaubnis geben
Erinnere dich daran: Es ist nicht deine Aufgabe, die Laune oder Gefühle anderer zu regulieren. Erlaube dir, dich selbst an erste Stelle zu setzen.
Kleine Schritte üben
Du musst nicht sofort beim größten Konflikt deine Grenze durchboxen. Fang klein an. Zum Beispiel: „Nein danke, ich möchte heute keinen Kaffee“ – auch wenn der andere enttäuscht reagiert.
Gefühle aushalten lernen
Es wird Momente geben, in denen andere enttäuscht oder sogar wütend sind, wenn du deine Grenzen setzt. Das ist unangenehm – aber es ist auch der Weg in deine Freiheit.
Dein Weg zurück zu dir
Es ist nicht leicht, wenn du dein Leben lang gelernt hast, auf die Gefühle anderer zu achten. Aber es ist möglich, dieses Muster zu durchbrechen.
Und genau dann verändert sich alles:
Du fühlst dich stabiler und unabhängiger.
Du hast mehr Energie, weil du nicht ständig im Außen hängst.
Du kommst in deine innere Kraft – in dein eigenes „High“.
Denn wahre Verantwortung bedeutet, zuerst für dich selbst einzustehen. Nur dann kannst du wirklich authentisch mit anderen in Beziehung gehen – ohne dich selbst dabei zu verlieren.
Solange du die Verantwortung für die Gefühle anderer trägst, kannst du deine eigenen Grenzen nicht wahren. Dieses Muster entsteht oft früh, wenn Kinder lernen, für die Emotionen ihrer Eltern einzustehen. Doch als Erwachsene dürfen wir uns davon befreien. Es ist Zeit, die Verantwortung dorthin zurückzugeben, wo sie hingehört – und endlich ganz bei dir selbst anzukommen.

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