Warum Selbstfürsorge nichts mit Egoismus zu tun hat
- Marie Swoboda
- Oct 8
- 4 min read
Es klingt so einfach: Achte auf dich. Kümmere dich um dich selbst. Setze deine Bedürfnisse an erste Stelle.
Und trotzdem – genau das ist oft das Erste, was im Alltag hinten überfällt, sobald Stress ins Spiel kommt.
Ich weiß das aus eigener Erfahrung. Obwohl ich mich seit Jahren mit dem Thema Selbstfürsorge beschäftige, fällt es mir in stressigen Phasen immer noch schwer. Ich habe mir sogar einen Reminder über meine Dunstabzugshaube gemalt, damit ich ihn wirklich jeden Tag sehe:
„Ich wähle mich, weil ich mir selber wichtig bin.“
Dieser Satz ist für mich zu einem kleinen Anker geworden. Denn er erinnert mich daran: Wenn ich mein eigenes Glas nicht fülle, kann ich auch für niemand anderen da sein.
Was bedeutet Selbstfürsorge eigentlich?
Wenn man von „Selbstfürsorge“ hört, haben viele sofort das Bild eines Wellnessabends im Kopf: Gurkenmaske, Schaumbad, Kerzen, Füße hoch. Klar, das kann dazugehören – aber Selbstfürsorge ist so viel mehr.
Im Kern bedeutet Selbstfürsorge: bewusst für das eigene Wohlbefinden sorgen.
Das kann körperlich, emotional, mental oder sogar sozial sein. Es geht darum, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und ernst zu nehmen.
Manchmal bedeutet das, nein zu sagen.
Manchmal bedeutet es, eine Pause einzulegen.
Und manchmal heißt es auch, Dinge zu tun, die dir Freude machen – unabhängig davon, ob sie nach außen „produktiv“ wirken.
Selbstfürsorge kann also sein:
einen Spaziergang im Wald machen – nicht für den Hund, sondern für dich.
mit deinem Kind eine Murmelbahn bauen, weil es dir selbst Spaß macht.
dir Ruhe zu gönnen, wenn dein Körper danach schreit.
Selbstfürsorge ist nicht für jeden gleich. Und genau das macht sie so wertvoll.
Warum verwechseln wir Selbstfürsorge mit Egoismus?
Viele von uns haben gelernt: „Sei nicht egoistisch. Denk an die anderen.“ Besonders Frauen wird das oft von klein auf vermittelt.
Man möchte gefallen, man lernt, sich zu kümmern, man stellt die eigenen Bedürfnisse zurück. Und dieses Muster wird generationsübergreifend weitergegeben.
Das Problem: Wer von klein auf gelernt hat, die eigenen Bedürfnisse hintanzustellen, erlebt es fast wie ein Tabubruch, wenn er sich plötzlich in den Mittelpunkt stellt. Die innere Stimme sagt dann sofort: „Das ist egoistisch!“
Doch hier liegt der Denkfehler: Egoismus bedeutet, ausschließlich auf sich selbst zu achten und andere bewusst auszuschließen. Selbstfürsorge bedeutet, gut für sich zu sorgen, damit man langfristig auch für andere da sein kann.
Der Unterschied ist riesig – auch wenn er auf den ersten Blick manchmal ähnlich wirkt.
Warum Selbstfürsorge unverzichtbar ist
Stell dir vor, du sitzt im Flugzeug. Bei den Sicherheitsanweisungen heißt es: „Setzen Sie zuerst Ihre eigene Sauerstoffmaske auf, bevor Sie anderen helfen.“
Warum? Weil du niemandem helfen kannst, wenn du selbst keine Luft bekommst.
Genau so ist es im Alltag. Wenn du deine eigenen Bedürfnisse ständig ignorierst, wirst du irgendwann ausgelaugt, gereizt oder krank. Dann kannst du auch für die Menschen, die dir am Herzen liegen, nicht mehr die Person sein, die du gerne wärst.
Ein anderes Bild, das ich oft nutze, ist das mit dem Glas:
Wenn mein Glas leer ist, kann ich niemandem etwas einschenken.
Wenn mein Glas voll ist, habe ich genug Energie, Liebe und Aufmerksamkeit für andere.
Selbstfürsorge ist also nicht nur ein Geschenk an dich selbst, sondern auch an dein Umfeld.
Selbstfürsorge in der Praxis
Manchmal denken wir, Selbstfürsorge müsse groß und aufwendig sein. Doch das Gegenteil ist der Fall: Oft sind es die kleinen Dinge, die den Unterschied machen.
Hier ein paar Beispiele:
Bewusste Pausen einlegen: Nicht erst weitermachen, bis du völlig erschöpft bist.
Nein sagen üben: Deine Energie ist wertvoll. Nicht jede Anfrage muss ein Ja bekommen.
Auf Signale achten: Wenn dein Körper oder deine Stimmung dir sagen, dass es zu viel ist, hör hin.
Freude ernst nehmen: Dinge tun, die dir Spaß machen – auch wenn sie für andere banal wirken.
Wichtig ist: Selbstfürsorge muss sich nicht wie Arbeit anfühlen. Sie darf leicht sein. Sie darf Freude machen.
Warum es trotzdem so schwer bleibt
Auch wenn wir das alles wissen, bleibt Selbstfürsorge oft eine Herausforderung. Ich kenne das nur zu gut: In stressigen Zeiten ist es das Erste, was hinten runterfällt.
Das liegt daran, dass wir gegen jahrelange Muster ankämpfen. Wir haben verinnerlicht, dass erst die Arbeit, die Familie, das Haustier, die To-do-Liste kommen – und dann vielleicht irgendwann wir selbst.
Doch jedes Mal, wenn wir bewusst sagen: „Ich wähle mich“, durchbrechen wir dieses Muster ein kleines Stück. Und je öfter wir das üben, desto natürlicher wird es.
Selbstfürsorge als Verantwortung, nicht als Luxus
Vielleicht hilft ein Perspektivwechsel: Selbstfürsorge ist kein Luxus. Sie ist eine Form der Verantwortung.
Verantwortung für die eigene Gesundheit.
Verantwortung für stabile Beziehungen.
Verantwortung dafür, langfristig da sein zu können – für Kinder, Partner, Freunde, Kolleg:innen.
Indem du dich um dich kümmerst, stellst du sicher, dass du deine Rolle im Leben erfüllen kannst – nicht aus Pflicht, sondern aus Stärke.
Zuerst kommst du
Selbstfürsorge ist nicht Egoismus. Sie ist die Grundlage dafür, dass du gesund, stabil und liebevoll durchs Leben gehen kannst.
Ja, es ist schwer, besonders in stressigen Zeiten. Ja, es fühlt sich oft falsch an, wenn man gelernt hat, sich selbst hintenanzustellen. Aber jedes Mal, wenn du dich bewusst für dich entscheidest, stärkst du nicht nur dich selbst, sondern auch deine Beziehungen und dein Umfeld.
Denn wenn du dein Glas füllst, kannst du auch anderen davon abgeben.
Und genau deshalb gilt: Zuerst kommst du.

Comments